Aufblühen mit neuen Herausforderungen im Ausland

alles, was nicht in die speziellen Länderrubriken paßt

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Oryx
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Aufblühen mit neuen Herausforderungen im Ausland

Beitrag: # 53891Beitrag Oryx »

Ich habe gestern auf YouTube zufällig eine Auswanderersendung gesehen, die ich noch nicht kannte. Ich schaue die Sachen nicht mehr so oft an, seit ich selbst ausgewandert bin. Meistens lohnt es sich auch nicht.

Diese Sendung hat sich aber gelohnt. Da ging es um ein Paar, das nach Südfrankreich gegangen ist. Die Frau hatte da von ihrem Vater eine "Auberge" geerbt. Ihr Mann bzw. Lebensgefährte ging mit, weil er in Deutschland - obwohl gelernter Chemotechniker und jahrelang erfolgreich im Beruf - schon seit drei Jahren arbeitslos war, trotz Hunderter oder Tausender verschickter Bewerbungen.

Der Mann wirkte weder faul noch dumm noch schwierig, noch war er zu alt, also das war anscheinend wieder so ein Fall, wo man sich nicht erklären kann, wie so was passiert. Vielleicht werden keine Chemotechniker mehr gebraucht?

Er ging also mit nach Südfrankreich, und man konnte richtig sehen, wie er aufblühte. Er hatte ein Händchen für Leute, konnte gut Gäste unterhalten, war auch handwerklich nicht unbegabt - was sehr nützlich war, denn das Anwesen war sehr heruntergekommen, und zuerst einmal konnten sie sich keine Handwerker oder sonstige Leute leisten, die sie hätten bezahlen müsssen -, und obwohl es fast unglaublich erschien, haben die beiden es tatsächlich geschafft, schon nach vier Wochen dort unten die erste Gruppe mit Gästen zu empfangen. Offenbar hatten sie das noch von Deutschland aus organisiert, dass diese Gruppe kam, denn sie war aus der Gegend, wo auch das Paar herstammte.

Die Frau hatte zuvor als Angestellte ein Restaurant bzw. Café geführt, also auch da die besten Voraussetzungen. Auch wenn die Beiden erst einmal nur ununterbrochen putzen, aufräumen und reparieren mussten.

Die Aufnahmen in dem Video zeigten, dass dieser Mann, der seit 3 Jahren in D arbeitslos herumsaß und immer mutloser wurde, ungeheuer viel Energie und Know-How hatte, dass er bereit war zu arbeiten bis an die Grenze, keine Herausforderung scheute und alles bewältigte, und das noch mit Humor.

Gut, er hat auch die Latten des Lattenrostes als Ersatz für eine Dachkonstruktion über einem Außenplatz verwendet, ohne zu merken, dass da noch die IKEA-Kleber drauf waren und er also das Bett des Paares unbrauchbar gemacht hatte - aber so etwas passiert nun mal im Eifer des Gefechtes. 8)

Jedenfalls blühte er richtig auf. Seine Frau und er arbeiteten hart, aber das war genau das, was ihm gefehlt hatte.

Wenn Deutschland Leute mit einer guten Ausbildung, die arbeitswillig und arbeitsfähig sind und auch noch in einem Alter, in dem die Rente noch weit entfernt ist, so wenig schätzt ... Das finde ich immer wieder erschreckend.

Schön natürlich, dass er jetzt eine Aufgabe gefunden hat, die ihm wirklich Spaß macht und für die er offensichtlich auch sehr gut geeignet ist. Auch wenn sie mit seinem alten Job nichts zu tun hat.

Hier das Video:
https://www.youtube.com/watch?v=pC3jdXDo--A

Die Sendung heißt "Auswandern ins Paradies - Eine neue Existenz"

Ich denke, diese Geschichte ist ein gutes Beispiel dafür, was die positiven Seiten einer Auswanderung sein können. Und ich musste darüber nachdenken, dass viele Voraussetzungen, die wir hier im Forum immer wieder erwarten, gar nicht gegeben waren. Er spricht kein Französisch (seine Frau schon), er war lange Jahre arbeitslos und hat einen völlig anderen Beruf gelernt. Sie hatten wenig Geld, gerade einmal 20.000 Euro, und keine Sicherheiten.

Es kommt aber immer darauf an, was man aus dem, was man hat, macht.
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kurtchen
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Beitrag: # 53902Beitrag kurtchen »

Bisher habe ich mir einige Ausschnitte angesehen, ich werde mir die Doku aber nocheinmal ganz ansehen, vielleicht sogar gleich. :D

Er ist so um die 50, da ist bei dem immer noch stark existierenden
Jugendwahn der Firmen kaum möglich etwas zu finden.

Fachkräftemangel existiert nicht, wie man bei diesem Chemotechniker sieht.

Billigkräfte werden in D gesucht ohne Ende, die vielen Spanier die im Moment herkommen werden als Billigarbeitskräfte ausgenutzt.

Lohndumping, befristete Arbeitsverträge, Zeitarbeit, 450 Euro Jobs, Interims-Vakanzen, unbezahlte Praktikanten, Werkstudenten usw. sind die Rahmenbedingungen in D.

Ich kann nur hoffen das immer mehr Qualifizierte diesen Beispiel folgen werden und auswandern.

Ich gehe jede Wette ein: hätte der Arbeitslose hier einen seiner Qualifikation entsprechend Job in D bekommen hätte er eine sehr gute
Leistung für seinen deutschen Arbeitgeber gebracht.

Aber Nein, er ist zu 'ALT', die Vorauswahl in D machen ebenfalls ausgebeutete Werkstudenten die als Praktikanten Jobs machen die früher Festangestellte gemacht haben.

Lob an diese Auswanderer, sie sind auch erfolgreich aus TROTZ.
Henry und Spassi - Eure Expertise fehlt im Forum !
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kurtchen
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Beitrag: # 53903Beitrag kurtchen »

Hab mir alles angesehen, die blühen richtig auf.

Bravo, sie haben es geschafft und sind glücklich, das ist das wichtigste.

Da sieht man Mal was alles möglich ist wenn man hartnäckig ein Ziel erfolgt und die richtige Einstellung hat.

Die Alternative für Harald: Langzeitarbeitslosigkeit in D.

Da doch lieber sein eigener Herr und 300 Tage Sonne, und Leben wie Gott in Frankreich.

Man bekommt bei der Reportage richtig Lust auszuwandern.
Henry und Spassi - Eure Expertise fehlt im Forum !
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Siggi!
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Beitrag: # 53904Beitrag Siggi! »

Toll, Leute die handwerklich sich engagieren, haben viele Möglichkeiten. Die beiden hatten noch ein paar Rücklagen und ein Erbe, so gelang der Start in die Selbständigkeit. Was ich mich gefragt habe: Warum sie ihrem Vater nicht schon zu seinen Lebzeiten zur Hand gegangen sind. Das Anwesen hätte es gebrauchen können.

Das kümmern um Haus und Hof scheint für viele Altersauswanderer auch eine wesentliche Freizeitbeschäftigung zu sein. Ich bewundere immer die liebevoll hergerichteten Anwesen.

Gruß
Siggi
Oryx
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Beitrag: # 53912Beitrag Oryx »

Ja, das mit dem Vater habe ich mich genauso gefragt wie Du, Siggi. Er hat seinen Schwiegersohn (mittlerweile sind die beiden verheiratet) ja noch nicht einmal kennengelernt, obwohl die beiden schon jahrelang zusammen waren. Und er war arbeitslos. Also an Zeitmangel kann es nicht gelegen haben.

Wie das Anwesen aussah, als die da ankamen, da dachte ich auch, der Vater hat doch da schon ewig nichts mehr gemacht, die Auberge vielleicht schon lange nicht mehr betrieben, da hätten sie doch schon lange mal mithelfen bzw. über eine Auswanderung nachdenken können.

Aber es ist ja gut, dass sie es wenigstens nach seinem Tod gemacht haben. Was leider nicht erwähnt wurde, ist die frz. Steuer auf solche ererbten Besitztümer. Wie sie das gemacht haben, weiß ich nicht. Die ist nämlich sehr hoch. Selbst wenn die Ardeche ein eher billiger Flecken ist, wo alle wegziehen, weil es da keine Arbeit gibt.

Aber sie betreiben die Pension immer noch, es scheint ihnen gut zu gehen, also müssen sie wohl auch das geschafft haben, denn sie sind ja nun schon einige Zeit dort, und die Steuer war bestimmt fällig.

Südfrankreich ist wirklich ein Traum. Ich war da auch immer sehr gern. Die Provence, unten die Côte ... wundervoll. Das Licht dort ist so speziell ... das haben wir nicht einmal hier in Afrika. ;) Obwohl es hier heller ist insgesamt. Aber diese spezielle Qualität in der Provence ... das gibt es halt nur dort. Ein wundervoller Ort zum Leben ... wenn die Südfranzosen einen akzeptieren und man sie versteht. Der südfranzösische Dialekt ist nämlich sehr gewöhnungsbedürftig. :)
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Siggi!
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Beitrag: # 53913Beitrag Siggi! »

Wobei ein ganz wesentlicher Aspekt völlig unterschlagen wurde: Woher kommen die Reservierungen noch bevor das Anwesen hergerichtet ist? Wie betreiben sie die Akquisition der Kunden?

Wir haben dies im Winter an einer D-Lage in Deutschland (Erzgebirge) gesehen. Mit der richtigen Akquisition eine Auslastung von 87% im Jahresdurchschnitt, während im Nachbarort gleiche Lagen leer stehen und verfallen.

Da kann man ein noch so guter Koch und Handwerker sein, wenn keiner die Qualität des Lokals kennt, nutzt das recht wenig an einem Ort, an dem es praktisch keine Laufkundschaft gibt.

Ein Bekannter auf der Krim hat sich beispielsweise auf Hundebesitzer spezialisiert. Er akquiriert, in dem er in einschlägigen Foren schreibt. So klappt es auch ohne das man für 50T Euro eine Anzeige in der ADAC Motorwelt schaltet.

Gruß
Siggi
Oryx
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Beitrag: # 53915Beitrag Oryx »

Die junge Frau scheint das sehr gut zu können. Ich habe Einträge von ihr in vielen Foren gefunden, wobei sie dann immer auf die jeweiligen Bedürfnisse des Forums eingeht. In einem Radfahrerforum hat sie beispielsweise auf Radwanderwege usw. hingewiesen.

Und die ersten Gäste waren ja aus ihrer Heimatstadt. Ich denke, das ist noch über persönliche Kanäle gelaufen.

Und genau das ist es: Wenn man sich solche Gedanken macht und schon im Voraus für Gäste sorgt, hat man das offensichtlich gut im Griff.
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Siggi!
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Beitrag: # 53917Beitrag Siggi! »

Richtig, so sehe ich das auch. Aber genau von diesen zentralen Punkten für einen erfolgreichen Geschäftsbetrieb wurde im TV nichts berichtet. Statt dessen ging es über weite Zeitbereiche um Renovierung.

Um es noch einmal deutlicher zu sagen: Renovieren könnten so ein Objekt viel mehr Personen, als erfolgreich betreiben!

Gruß
Siggi
Oryx
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Beitrag: # 53921Beitrag Oryx »

Da hast Du Recht. :) Das Problem bei diesen Auswanderersendungen ist immer, dass der Fokus des Filmteams auf etwas ganz anderem liegt als auf dem, was wirklich für Auswanderer interessant ist. Für das Filmteam ist diese Auswanderung wahrscheinlich viel zu glatt gelaufen. Keine Tränen, kein Streit, keine finanziellen Schwierigkeiten erst einmal. Richtig positiv alles.

Sie haben ja versucht, da noch ein bisschen Problem reinzubringen, indem sie immer wieder darauf hinwiesen, ob das wohl klappen könnte in diesen vier Wochen? Aber das war verglichen mit anderen Sendungen ja schon sehr harmlos.

Andere Auswanderer berichten, dass sie vom Filmteam immer wieder dazu aufgefordert wurden, Szenen zu "spielen", bei denen es etwas problematischer zuging. Auswanderer, die ihre Auswanderung allzu glatt abwickeln, bringen glaube ich nicht so viel Quote. Und ich denke, gerade weil Harald und Raphaela nicht so die ganz besten Voraussetzungen hatten, hat sich das Filmteam da mehr an Problemen erhofft.
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