Bericht eines Expats in den Niederlanden - 30%-Regel

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mariadev
Beiträge: 1
Registriert: Fr Jul 27, 2012 7:32 pm

Bericht eines Expats in den Niederlanden - 30%-Regel

Beitrag: # 47220Beitrag mariadev »

Hallo,

Ich bin 27 Jahre und habe meherere Jahre in den Niederlanden als Ingenieur gearbeitet. Im Folgenden möchte ich meine Eindrücke festhalten.

30%-Regel
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Als europäische Länder mit gutem Gehalt werden oft Liechtenstein, Schweiz und Luxemburg genannt. Meiner Meinung nach sollte man für Hochqualifizierte definitiv die Niederlande in Betracht ziehen. Es gibt in nämlich in den Niederlanden ein Gesetz, das dort beschäftigen Ausländern, die über gesuchte Qualifikationen verfügen, erhebliche Steuererleichterungen verspricht ("30% rule", "30% facility", "30%-regeling").

Hochqualifizierte Ausländer (auch EU-Bürger), die in den Niederlanden arbeiten und mehr als 35.000 EUR pro Jahr brutto verdienen, haben folgende Vorteile:
1) Man muss nur auf 70% seines Bruttoeinkommens Einkommensteuer bezahlen.
2) Man muss keine Kapitalertragsteuer zahlen (normal 30% der Zinserträge für Kapital über 50.000 EUR).

Beispiel: Ein Single mit 70.000 EUR Bruttogehalt verdient netto ca. 4.500 EUR/Monat anstatt 3.500 EUR, weil die Einkommensteuer so gering ausfällt. Sehr interessant für Berufsanfänger, die sich ein Kapital aufbauen möchten!!

Von der Regel profitieren übrigens nicht nur Ausländer, sondern auch Niederländer, die aus dem Ausland zurückkehren, z.B. die Philips-Unternehmensleiter (siehe http://www.dutchnews.nl/news/archives/2 ... tage_1.php).

Um die Regel in Anspruch zu nehmen, muss der Arbeitgeber beim Finanzamt einen Antrag stellen. Die Bearbeitung nimmt einige Monate in Anspruch. Wenn dem Antrag stattgegeben wird, bekommt man außerdem für die gesamte vorherige Arbeitszeit die Vergünstigung gutgeschrieben.

(Alle Angaben in diesem Beitrag ohne Gewähr, bitte informiert euch bei den niederländischen Behörden)


Eindrücke von den Niederlanden:
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Hier sind meine Eindrücke zusammengefasst:

Plus:
- Falls man von der 30%-Regel profitiert, kann man viel mehr Geld verdienen als in D.
- NL ist ein zivilisiertes, politisch stabiles und relativ gut organisiertes Land. Selbst die Anmeldung bei der Gemeinde ist unkompliziert und angenehm.
- Die meisten Leute sprechen akzeptabel Englisch, viele sogar gut. Man kann sich gut und gerne mehrere Jahre mit Englisch durchschlagen, ohne niederländisch zu können. Allerdings sollte man zumindest nach ein paar Jahren niederländisch lernen, weil es den Behörden formell untersagt ist, Englisch zu sprechen, und weil man beim Verhandeln größerer Geschäfte (z.B. beim Wohnungskauf) im Nachteil ist (d.h., man wird leichter übers Ohr gehauen). Holländisch ist natürlich relativ einfach zu lernen für Deutsche, zumindest das grundlegende Vokabular lernt man nach einiger Zeit automatisch.
- Wenn ihr superreich seid oder ein großes Unternehmen besitzt, sind die NL aus Steuerplanungsgründen interessant (siehe http://www.dutchnews.nl/news/archives/2 ... er_box.php) :-)

Minus:
- Die Lebenshaltungskosten sind insgesamt höher als in D (Lebensmittel etc.). Wenn man von der 30%-Regel profitiert, lohnt es sich trotzdem in jedem Fall.
- Ein Auto zu besitzen ist furchtbar teuer. Bei der Einfuhr eines Autos (auch aus der EU!!) muss man Zoll bezahlen, je nach Alter des Autos (BPM). Zudem ist die KfZ-Steuer sehr hoch (für einen Kleinstwagen ca. 500 EUR/Jahr, bei Diesel das Doppelte!)
- Wohnungen/Häuser sind insgesamt von schlechter, teilweise katastrophaler Qualität verglichen mit D. Mieten und Preise sind hoch. Allerdings gibt es in einigen Regionen Preiskontrollen auf Mieten. Wenn man Holländisch spricht, sich genügend informiert und ein interessanter Mieter ist, kann es durchaus sein, dass man nur 350 EUR Miete für eine Wohnung bezahlt, während sich der Expat nebenan wundert, dass er 800 EUR für eine ähnliche Wohnung bezahlt.
- Die Krankenversicherung ist eher teuer. Es gibt in den Niederlanden eine private Pflicht-KV. Die Beiträge belaufen sich auf mind. ca. 150 EUR/Monat, bei 300 EUR Selbstbehalt pro Jahr. Die meisten Expats, die ich kenne, halten die ärztliche Versorgung für unzureichend. Üblicherweise verschreiben Hausärzte bei wenig schweren Erkrankungen automatisch Paracetamol (das man ohnehin rezeptfrei in der Drogerie erhält), und erst nach einer Woche erlauben sie Antibiotika oder veweisen auf einen Spezialisten. Viele Ausländer gehen für größere Behandlungen in ihr Heimatland.


Grüße,

Mariadev
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Siggi!
Moderator
Beiträge: 6284
Registriert: So Jul 10, 2005 7:43 pm
Wohnort: Republik Krim, RU

Beitrag: # 47222Beitrag Siggi! »

Hallo,

vielen Dank für Deinen ausführlichen Bericht.

Gruß
Siggi

P.S: Ich bin auch z.T. aus steuerlichen Gründen im Ausland.
capella
Beiträge: 18
Registriert: Mo Jun 18, 2007 3:37 pm
Wohnort: Zuid-Holland

Beitrag: # 47228Beitrag capella »

Hallo mariadev,

super, Dein ausführlicher Bericht!!! Wir leben seit 4 Jahren als Expats in den Niederlanden und ich kann sehr viel so bestätigen, von dem, was Du schreibst.
Absolut zutreffend ist jedenfalls Deine Beurteilung des NL-Gesundheitssystems bzw. der ärztlichen Versorgung ... wir haben hier schon so viel unglaubliches erlebt, daß wir wirklich nur noch im Notfall hier zum Arzt gehen und sonst alle Standard-Arztbesuche während unserer Deutschland-Besuche einbinden.
giulianna
Beiträge: 1
Registriert: Sa Sep 29, 2012 11:10 pm

Beitrag: # 47966Beitrag giulianna »

hallo capella,

darf ich fragen, wie ihr das macht? habt ihr eure KV. in D behalten? ich bin momentan in D in einer PKV. ich bin noch unschlüssig, ob ich versuchen soll in D versichert zu bleiben. ich gehe im Grunde unbefristet nach NL.
capella
Beiträge: 18
Registriert: Mo Jun 18, 2007 3:37 pm
Wohnort: Zuid-Holland

Beitrag: # 47970Beitrag capella »

Hallo Guilianna,

nein, wir haben keine Krankenversicherung in Deutschland, sondern sind über die Firma meines Mannes privat krankenversichert.
Etwas kompliziert zu erklären ... weil er bei einem internationalen Unternehmen arbeitet, werden alle Mitarbeiter über die Firma versichert und somit sind wir als Angehörige automatisch mitversichert.
Und da es eben eine private Versicherung ist, können wir in jedem x-beliebigen Land zum Arzt gehen, die Versicherung übernimmt dabei 90 -100 % der Arztosten und Arzneimittelkosten.
Ich glaube, in Deutschland versichert zu bleiben, wenn man hier lebt, ist nicht möglich, aber genauer weiß ich das auch nicht, tut mir leid!
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