Leben und Gesellschaft in S'pore (Teil 1)

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Stroinerle
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Leben und Gesellschaft in S'pore (Teil 1)

Beitrag: # 9981Beitrag Stroinerle »

Wie auch für sonst alles andere gibt es auch für Singapore, so scheint's richtige Fan-Gruppen. Da wird mit verschlossenen Augen über z.B. das tolle Essen hier - und es ist richtig toll (!) - geschwärmt. Alle Leute sind so freundlich und lächeln rund um die Uhr (24/7), die unterschiedlichsten Religionen und Kulturen leben völlig friedlich nebeneinander her. Alle haben sich lieb. Singapore ist die sicherste und sauberste Stadt der Welt, usw., usw. Ich könnte die Liste beliebig fortführen und habe noch nicht mal die unzähligen Shoppingmöglichkeiten, den tollen Flughafen oder den Zoo angesprochen.

Erst einmal vorab - Ja es stimmt - Singapore ist eine wirklich tolle und abwechslungsreiche Stadt, die nicht nur ihre Gästen sondern auch ihren Bewohnern etwas bietet. Es ist hier genauso wie mit den vielen anderen beeindruckenden Metropolen der Welt. Man landet hier und wird gleich mit einer Unzahl von Eindrücken, ich sage mal überschüttet, die erst verarbeitet werden sein wollen. Man war in Urlaubsstimmung und kommt vermutlich auch noch aus einem Dorf aus dem man evtl. seit seiner Schulzeit schon immer wegwollte, es aber aus den unterschiedlichsten Gründen nicht konnte ...

Vieles stimmt, vieles überhaupt nicht und das Meiste ist anders. Was ist aber nun richtig? Um es gleich zu sagen - ich weiß es nicht. Was ich aber hier mitteilen kann, ist wie ich/wir Singapore bisher erlebt haben.

Singapore ist vor allem schön - schön groß, schön grün, schön warm, schön voll, schön eng und ganz schön teuer. Wer herkommt, benötigt erst mal ein gutes bis sehr gutes Einkommen. Wer Großstädte nicht mag, sollte S'pore umgehend von seiner Wunschliste streichen. Wer aber schon Großstadt"erfahrung" hat oder sammeln möchte wird hier bis auf ein typisches "Nachtleben" alles vorfinden, was man sich unter einer Großstadt so vorstellt.

Nachtleben gibt es zwar in S'pore - aber nur sehr eingeschränkt. Der Staat/die Regierung begreift sich in Singapore (das gilt für weite Teile Asiens), dass muss man zum Grundverständnis wissen, nicht wie bei uns als "Wächterstaat", sondern hat einen Erziehungsauftrag. Er muss Schaden von der Bevölkerung abwenden und zwar um jeden Preis. So können zwielichtige Unternehmen (Bars, Nachtclubs, Kabarett oder gar Striptease), wenn überhaupt nur unter schwierigsten Bedingungen und unter totaler Überwachung fungieren. So kam es, dass z.B. ein Laden wie das "Crazy Horse" hier Ende Januar schließen musste. Es kamen aufgrund der intensiven "Aufklärungsarbeit" von Staat und Presse einfach keine Kunden mehr.

Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die Presse zu lesen oder das Fernsehen zu beurteilen. Hier in Singapore ist es bei Strafe verboten eine eigene Satellitenschüssel aufzubauen. Fernsehen kommt aus dem Kabel, wie übrigens u.a. auch das Internet und das Telefon. Damit geht natürlich eine Zensur der Medien einher. Die Zensur filtert die Nachrichten dahingehend, dass sie dem friedlichen Miteinander der Kulturen nicht schadet. So wird man hier vergeblich nach Meldungen Ausschau halten, bei denen religiös motivierte Straftaten beschrieben werden. Taten, welche das Miteinander stören, werden hier auch rigoros bekämpft. Im Fernsehen, bis auf den peinlichen (eigene Wertung) DW-TV Kanal, werden alle Kraftausdrücke und Sexszenen unterdrückt. War bei Filmen wie "8 Mile" schon am Rande des kabarettistischen. Übrigens hat man hier, vergleichbar mit den USA, bei Gewaltszenen offensichtlich andere, viel weiter gefasste Auswahlkriterien. Die Presse soll hier nicht in erster Linie informieren, das soll sie natürlich auch, aber primär hat sie nach ihrem und dem offiziellen Verständnis einen "Bildungsauftrag". Sie soll mit ihrem Berichten gute Verhaltensweisen fördern und schlechte an den Pranger stellen. So liest sich das dann auch bzw. eben nicht, wenn es deswegen nicht drin steht. Einer der Vorteile des Internets liegt an der doch umfassenderen Informationsgewinnung.

Stichwort Sauberkeit:
Ja, Singapore ist verglichen mit Berlin, München oder Hamburg eine sehr saubere Stadt - da wo eine der zahlreichen Kameras steht auf jeden Fall. Aber wehe, man kommt an kamerafreie Plätze, die die Bevölkerung kennt. Eine Autobahnausfahrt oder z.B. ein Weg am Stadtrand unterscheidet sich da überhaupt nicht vom Ku'damm am Sonnabend nach Geschäftsschluss. Also ohne den Zeigefinger allzu hoch zu halten muss man doch das eine oder andere Vorurteil relativieren. Wer wie ich z.B. unmittelbar vor Singapore in Konstanz am Bodensee gewohnt hat, wird von der Sauberkeit ziemlich enttäuscht sein ;-). À propos Bodensee. Vielleicht mal ein Wort zur Wasser- und Luftqualität. Bodenseeurlauber wissen was ich meine, wenn ich von kristallklarem Wasser rede. Singaporeans dagegen nicht. Wer hier einen Blick auf das Wasser wirft, überprüft im Unterbewusstsein sofort, ob er alle gängigen Impfungen durchgeführt hat. Lehmbraun ist noch eine freundliche Farbumschreibung für die kleineren Bäche. Bei den großen Flüssen oder an der Promenade, wo der Merlion steht, wird man den Boden bzw. den Grund vergeblich suchen. Das könnte evtl. der wahre Hauptgrund sein, wieso der Kleinstaat sein komplettes Wasser aus Malaysia importiert. Aber das Leitungswasser hat, auch wenn es nicht sonderlich schmeckt, Trinkwasserqualität. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil im gesamten südostasiatischen Raum!

Stichwort Kriminalität:
Ja Singapore ist eine sichere Stadt, ohne wenn und aber. Auch nachts/morgens um 02.00 Uhr! Die Kriminalität ist bestenfalls auf Kleinstadtniveau. Nicht zu glauben aber dennoch zutreffend. Frauen können wirklich nachts allein unterwegs sein und kommen auch vollständig und gesund nach Hause. Es gibt spätnachts/frühmorgens immer ein Taxi - fast nie einen Bus - und kurze Strecken können auch zu Fuß zurückgelegt werden, ohne dass man/frau sich laufend nach Hinten umsehen muss. Das ist wirklich sehr angenehm und beruhigend. Das Problem der Kriminalität ist ist m.E. vielmehr auf der anderen Seite des Gesetzes zu suchen. Singapore ist ein Staat der auch als "Fine-City" bekannt ist. Fine heißt hier aber nicht "schön, fein" sondern "Strafe". Es fängt mit Verboten für Haustiere in Bahn und Bus an, Verboten sind auch Essen und das Mitführen von Durians im ÖPNV (mit Grund), Kaugummikauen, das Spucken in der Öffentlichkeit, Fahrradfahren in vielen Bereichen, Müll wegwerfen, etc. Hier gibt es Strafen von idR $S1.000 - $S5.000 oder Gefängnis.

Singapore ist ein Staat der tötet und prügelt. Hier gibt es neben der Todesstrafe auch Prügelstrafen. Die Hinrichtungsquote ist gemessen an der Bevölkerungszahl die höchste der Welt! Erst am 26.01. wurden wieder zwei Menschen gehängt. Einer davon war zum Tatzeitpunkt fast noch ein Kind. Hier wird bei Drogen"besitz" ab einer bestimmten Menge (idR 15 gr) unbarmherzig hingerichtet. Nun gibt es hier viele Expats, zu denen ich nie gehöre werde, die das befürworten. Die Ansicht ändert sich dann zumeist schlagartig, wenn es das eigene Kind betrifft, wenn es in seiner "Ausprobierzeit" in der Pubertät erwischt wird, Ruckzuck wird das Kind dann ins Ausland verbracht. Doppelmoral par Excellence. Zumal die von der örtlichen Drogenbehörde veröffentlichten Zahlen aus dem Jahr 2006 zeigen, dass hier der Zahl der inhaftierten Täter im Bereich Drogenverbrauch - trotz Hinrichtungen - deutlich ansteigt (Inhaftierungen 1.127/2006 Vergleich 793/2005).

Stichwort Religionen:
Hier gibt es eine derartige Vielfalt, dass man unweigerlich den Atem anhält. In jedem Distrikt findet man die dazugehörigen Gotteshäuser, teilweise in unmittelbarer Nachbarschaft. Allerdings gibt es auch hier, wie sollte es anders sein, feste, klare Regeln. So dürfen die Religionen hier nicht nach außen missionieren. Jeder darf seine Religion ausüben, hat aber den anderen in Ruhe zu lassen. So erklärt es sich auch, das hier z.B. keine Kirchenglocken läuten dürfen und der Muezzin seine "Klappe halten" muss und nicht vom Minarett aus zum Gebet ruft. Komischerweise redet hier keiner deswegen vom Untergang des Abendlandes, nein im Gegenteil, das nenne ich mal wirklich Eintracht und gegenseitigen Respekt. Für mich als bekennenden Atheisten ist das herrlich und auch deutlich angenehmer als in Deutschland, da hier die Kirche nicht zu "alles und jedes" ihren Kommentar ablässt. So können die Leute auch in den Geschäften und Fabriken arbeiten ohne durch ihre Religionen zusätzlich belastet zu werden. Bei großen religiösen Festen wird dahingehend Rücksicht genommen, dass Geschäfte auch schon mal schließen oder aber von Angestellten anderer Religionsgruppen weiterbetrieben werden. Ein interessanter wirtschaftlicher Vorteil von Religionsvielfalt.

(wird fortgesetzt)
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Siggi!
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Beitrag: # 9982Beitrag Siggi! »

Hallo Stroinerle,

danke für den tollen Bericht. Genau davon lebt ein Forum!

Fine City (Essen in der Metro: $500, Mitnahme leicht entzündbarer Stoffe: $5000), die Überwachung, die andere Funktion des Staates habe ich sogar als Tourist bemerkt. Auf der Emigrationskarte wird auf die Todesstrafe hingewiesen, wenn man einmal nach "caning" im Internet sucht, dann findet man einiges zur Prügelstrafe. Die Wasserqualität der Straße von Malakka ist schrecklich. Aber man sollte auch erwähnen, dass man an der anderen Küste (im Nachbarland Malaysia) die fantastischen Strände hat, die man aus den Bilderbüchern kennt.

Gruß
Siggi

P.S: Durians habe ich nie probieren können, da es nicht Saison war. Schon mal getestet?
Peter_KL
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Beitrag: # 9987Beitrag Peter_KL »

Ooooh, das Crazy Horse ist zugemacht? Das betruebt mich jetzt ein wenig.
Da war ich immer gern zum Philippino-Tanztee am Sonntag nachmittag.
Ist denn wenigstens das Ipanema noch auf?

Cheers!
Stroinerle
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Beitrag: # 10061Beitrag Stroinerle »

Siggi! hat geschrieben:danke für den tollen Bericht. Genau davon lebt ein Forum!
Danke für das positive Feedback.
Siggi! hat geschrieben:Essen in der Metro: $500, Mitnahme leicht entzündbarer Stoffe: $5000
Ich sehe, Du bist auf dem Laufenden.
Siggi! hat geschrieben:Aber man sollte auch erwähnen, dass man an der anderen Küste (im Nachbarland Malaysia) die fantastischen Strände hat, die man aus den Bilderbüchern kennt.
Ja, das stimmt. Da bin ich aber (noch?) nicht der Fachmann dafür, weil ich einfach noch zu kurz hier wohne, um das eingehend zu beschreiben. Aber vielleicht ist dem einen oder anderen ja z.B. Tioman ein Begriff.
Siggi! hat geschrieben:Durians habe ich nie probieren können, da es nicht Saison war. Schon mal getestet?
Ich bin gerade soweit, dass ich die Geruchsschwelle überwunden habe und ohne größere Folgeschäden an den Duran-Ständen vorbeigehen kann.:wink: Die Frucht soll ja im Gegensatz zu dem widerlichen Geruch sehr gut schmecken, wie mir ein chinesischer "Freund" mitgeteilt hat. Aber wiegesagt, er ist Chinese und die lassen nichts aber auch gar nichts aus, um uns Langnasen zu ihrer eigenen Belustigung ins offene Messer laufen zu lassen. :wink:

Mal sehen, vielleicht später mal. Ich kann dann ja erst mal mit einem Durian-Kuchenstück beginnen, da ist das Teufelszeug in einer homöopathisch verträglichen Dosis drin.
Peter_KL hat geschrieben:Ist denn wenigstens das Ipanema noch auf?
Ich musste mich erst mal erkundigen, was das Ipanema überhaupt ist. Wie soll ich dich jetzt ansprechen? Mein Vokabular schwankt momentan von "alte Ratte" über "Minuskumpel" :lol:

Um es vorweg zu sagen. Ja das gibt es noch. Um etwas über das "Lokal" zu sagen, es ist in letzter Konsequenz ein Bordell. Der Reaktion meiner einheimischen Kollegen nach anscheinend das verruchteste hier am Ort.

Persönliche Bilanz:
Mein positiver Kredit tendiert nun schlagartig gegen Null, meine Ohren sind immer noch rot und mein einheimischer Freundeskreis ist etwas geschrumpft.

Deine Fragen werde ich nie wieder bantworten ... :lol: :lol: :lol:
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Peter_KL
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Beitrag: # 10063Beitrag Peter_KL »

Stroinerle hat geschrieben:Wie soll ich dich jetzt ansprechen? Mein Vokabular schwankt momentan von "alte Ratte" über "Minuskumpel" :lol:
Single vielleicht? Ich bin nicht verheiratet, falls das was erklaert.
Um es vorweg zu sagen. Ja das gibt es noch. Um etwas über das "Lokal" zu sagen, es ist in letzter Konsequenz ein Bordell.
Natuerlich ist es das. Alle Buden da drin sind Bordelle. Der Orchard Tower ist einer der legalen Rotlichtbezirke Singapur's wenn ich recht informiert bin. Gabs nicht auch mal ein Buch darueber? 4 Floors full of Whores.
Der Reaktion meiner einheimischen Kollegen nach anscheinend das verruchteste hier am Ort.
Dann ist es noch wie frueher.
Legends never die!
Mein positiver Kredit tendiert nun schlagartig gegen Null, meine Ohren sind immer noch rot und mein einheimischer Freundeskreis ist etwas geschrumpft.
Ach so, Du hast beim Mittagessen mit Chef und dem Board of Directors mal laessig gefragt, sagt mal Jungs, wie ist denn das Ipanema so? Das ist natuerlich etwas gewagt. Die kennen das natuerlich alle, aber ist wie mit McD, immer voll der Laden, aber angeblich geht keiner hin.

Gong Xi Fa Cai!
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