Angebliches Verlernen der Muttersprache

alles, was nicht in die speziellen Länderrubriken paßt

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LJ
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Angebliches Verlernen der Muttersprache

Beitrag: # 36474Beitrag LJ »

Da ich selbst länger im Ausland gelebt habe als in Deutschland, muss ich immer über Deutsche im Ausland lachen, die so tun als könnten sie kein Deutsch mehr. Ich habe mal in London ein Mädel kennengelernt, die gerade mal ein Jahr in London wohnte und meinte sie könne nicht mehr gut Deutsch reden :lol:
In Südamerika habe ich eine Deutsche getroffen, die nach einem Monat schon "auf Spanisch träumte" und ihr die Deutschen Wörter beim Reden fehlte....oh Mann :roll: .

Kennt Ihr das? Ich frage mich immer was das soll. Sind das irgendwelche Komplexe?
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Mikaoma
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Beitrag: # 36478Beitrag Mikaoma »

Hi ,
nee ich denke die wollen damit ausdrücken, wie gut sie die Sprache schon beherrschen und wie toll sie integriert sind.
Meist ist wohl gerade das Gegenteil der Fall.
Mein Mann (Ungar) lebte sehr lange Zeit in D und hat komischerweise seine Muttersprache überhaupt nicht vergessen (und hat nichtmal einen Akzent :lol: )
komisch, oder?
Mikaoma
Was sich allerdings sehr wohl verschlechtert ist, wenn man etliche Jahre als Erwachsener im Ausland lebte, die Sprache von null an dort gelernt hat, dann für mehrerer Jahre zurück nach D geht und dort auch fast immer deutsch spricht , danach wieder zurück ins das gleiche (Aus-)Land.
Da fehlen einem menchmal die Worte.
Ja , ja so was passiert selbst bei einem weiblichen Wesen :)
Lacrima
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Beitrag: # 36481Beitrag Lacrima »

Es kann von der Gewohnheit durchaus so sein. Als meine Cousine für 1 Jahr als AuPair in Amerika war, hat sie in Deutschland noch öfter mal einen Satz in Englisch beginnen wollen. Nicht weil sie Deutsch verlernt hätte, sondern weil sie es einfach so "gewöhnt" war. Hat sich aber innerhalb von Tagen gelegt.

Als ich Austauschschülerin in Frankreich war, hab ich schon am zweiten Tag in französisch gedacht. Nicht weil ich es so gut konnte, sondern weil ich mir so meine Sätze "zurecht gedacht" habe. Und geträumt hab ich in französisch, das waren aber Albträume :lol:

Also ich kann mir durchaus vorstellen, dass etwas von einer neuen Sprache hängen bleibt wenn man lange genug verweilt. Und sei es nur die Sprachmelodie. Muss man selbst nicht mal mitkriegen. Aber dauerhaft? Kaum...
According to all known laws of aviation, there is no way that a bee should be able to fly.
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rabiene
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Beitrag: # 36484Beitrag rabiene »

Obwohl ich nicht den ganzen Tag Englisch spreche,fehlen mir doch manchmal einzelne Woerter in Deutsch...auch habe ich ab und an beim Schreiben Problem mit der deutschen Satzstellung.....schreibe es dann wie man es in Englisch schreiben wuerde und das liest sich ganz uebel... :oops:

Ich glaube aber das wenn man einige Jahre/Jahrzehnte ausschliesslich eine andere Sprache spricht,das man einiges in Deutsch verliert...aber komplett verlernen das passiert wohl nur bei Kindern...
LJ
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Beitrag: # 36485Beitrag LJ »

Mikaoma hat geschrieben:ich denke die wollen damit ausdrücken, wie gut sie die Sprache schon beherrschen und wie toll sie integriert sind.
Meist ist wohl gerade das Gegenteil der Fall.
Ja, so sehe ich das auch. In Südamerika sind das dann die Deutschen, die ganz besonders toll Salsa tanzen und demonstrativ die lockeren Latinos spielen wollen :wink: .

Ich habe dagegen in Südamerika einen alten Jüdischen Deutschen kennegelernt, der 1937 mit 13 Jahren vor den Nazis mit seiner Mutter nach Südamerika geflüchtet ist. Er sprach Deutsch als wäre er nie weg gewesen.
LJ
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Beitrag: # 36486Beitrag LJ »

rabiene hat geschrieben:Obwohl ich nicht den ganzen Tag Englisch spreche,fehlen mir doch manchmal einzelne Woerter in Deutsch...auch habe ich ab und an beim Schreiben Problem mit der deutschen Satzstellung.....schreibe es dann wie man es in Englisch schreiben wuerde und das liest sich ganz uebel... :oops:
Wo wohnst du denn und wie lange?
rabiene
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Beitrag: # 36493Beitrag rabiene »

5.5 jahre.... :wink:
Peter_KL
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Beitrag: # 36494Beitrag Peter_KL »

Soweit ich weiss ist die Muttersprache in einem anderen Bereich des Gehirns gespeichert als hinzuerlernte Sprachen. Quasi in einem unloeschbaren Bereich, waehrend hinzuerlernte Sprachen in einem RAM abgelegt sind.
Benutzt man diese Sprache ueber Jahre nicht, wird sie ueberschrieben/vergessen.
Nicht so die Muttersprache.

Gruss!
Mikkel Rev
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Beitrag: # 36495Beitrag Mikkel Rev »

Interessanter Ansatz ... nur klaffen Praxis und Theorie oft auseinander.
Wenn man den ganzen Tag die neue Sprache spricht, im Radio und TV hört und Zeitungen studiert, stellt bald fest, dass er bei manchen Wort durchaus überlegt, welche deutsche Entsprechung es hat. Da will man niemandem etwas "beweisen", wozu auch. :?

Es heisst zum Beispiel hier "rundkjøring" und mir fiel einfach das dt. Wort nicht mehr ein. :oops:
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henry
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Beitrag: # 36497Beitrag henry »

Mikkel Rev hat geschrieben:
Es heisst zum Beispiel hier "rundkjøring" und mir fiel einfach das dt. Wort nicht mehr ein. :oops:
und inzwischen?

Kreisverkehr - ist es wieder da, das wort? :D
Gruesse Henry
LJ
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Beitrag: # 36500Beitrag LJ »

Mikkel Rev hat geschrieben:Interessanter Ansatz ... nur klaffen Praxis und Theorie oft auseinander.
Wenn man den ganzen Tag die neue Sprache spricht, im Radio und TV hört und Zeitungen studiert, stellt bald fest, dass er bei manchen Wort durchaus überlegt, welche deutsche Entsprechung es hat.
Ich habe 12 Jahre in New York(inklusiv mit 7 Jahre Schule), 3 Jahre in London, 6 Monate in Brüssel, einige Monate in Italien, 1 Jahr Paris und insgesamt 7 Jahre in Südamerika gewohnt.....und spreche komischerweise noch genauso Deutsch wie vorher :roll:

Meine Geschwister sind seit 20 Jahren nicht mehr in Deutschland gewesen und sprechen auch genauso wie früher, weshalb ich dieses "How do you say in German again?" für aufgesetzt halte.
Typisch Deutsch irgendwie.
Caribe-Klaus
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Beitrag: # 36502Beitrag Caribe-Klaus »

Während meiner Zeit in der Karibik hatte ich die letzten ca. 7 Jahre absolut keinen Kontakt mehr mit deutschsprachigen Menschen auf Hispañiola (Gottseidank), ich redete also auschliesslich nur spanisch. In dieser Zeit flog ich alle 2 Jahre auf Besuch nach D zur Familie und Freunden - ich brauchte dort aber keinen Dolmetscher... :wink:

Gruss Klaus
Die positive Grundeinstellung ist nicht alles, doch ohne sie - ist alles nicht's !
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Jupp
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Beitrag: # 36503Beitrag Jupp »

Vielleicht kann man das mit Fahrrad fahren vergleichen. Man verlernt es nie, ist aber am Anfang nach einer mehr oder weniger langen Pause unsicher und wackelig.

Was das Vergessen von Wörtern betrifft, hat das vielleicht auch, aber mit Sicherheit nicht nur "nicht sprechen-gründe". Ich beobachte an mir selbst, daß manche Worte einfach nicht kommen wollen. Ich weiß genau, was ich sagen möchte, aber das Wort ist fort. Und wenn man andere dazu befragt, geht es vielen ähnlich. Streß, Alter, Reizüberflutung, was auch immer die Gründe sein mögen (mal abgesehen von Alzheimer).
Auswandern? Eher nicht, aber ein Altersruhesitz irgendwo im Nirgendwo?
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makis

Beitrag: # 36505Beitrag makis »

Ich denke es liegt hauptsächlich am Willen, und an der Beziehung die man zum Deutschen hat.
Wenn man beispielsweise in die USA auswandert, dann wird es einem dort schon ziemlich leicht gemacht seine Herkunft zu verleugnen, schließlich sind viele dort immigriert, und man wird einfach mit in den großen amerikanischen Topf geworfen. Wenn man nun schon immer USA-begeistert war und dem Deutschen nicht so sehr verbunden wird man diese Integration dankbar annehmen, und dafür sorgen dass man ab sofort ein guter Amerikaner wird. Da wird dann zuhause nur noch Englisch gesprochen, auch um es den Kindern leichter zu machen, und prompt verlernen diese schnell ihre Muttersprache bzw lernen sie erst gar nicht mehr.
Darüber kann man geteilter Meinung sein. Jeder weiß um die Schwierigkeiten, die Einwanderer in Deutschland verursachen weil sie an ihrer Sprache und ihren Traditionen festhalten und sich nicht intregrieren wollen. Andererseits würde ihnen genauso etwas verlorengehen wie den Deutschen im Ausland, wenn sie ihre Herkunft verleugneten.
Ich finde dass man da einen Kompromiss finden muss. Es ist sehr schade wenn die Muttersprache nicht mehr gesprochen und sogar den Kindern nicht mehr beigebracht wird, denn mit der Sprache geht auch die Kultur eines Volkes einher. Somit sollte es selbstverständlich sein, die eigene Kultur zu pflegen - aber gleichzeitig muss man mit offenen Sinnen durch das neue Land gehen, auf die Mitmenschen zugehen, die Sprache ordentlich lernen und sich auch für die andere Kultur interessieren.
Sich für eine neue Sprache und ein neues Land zu öffnen kann so bereichernd sein, wenn man seine Wurzeln nicht vergisst.
Übrigens spreche ich den ganzen Tag zu fast 100% deutsch, und trotzdem kann es passieren dass mir eine passende Redewendung oder ein Wort nur auf englisch einfallen. Das liegt wahrscheinlich daran dass ich gerne englische Bücher lese und mir besonders gelungene Wortkombinationen eben merke. Es ist keine Absicht, das passiert einfach so, und zum Glück fällt das in diesem Land, wo die meisten Leute mindestens zweisprachig aufwachsen, nicht auf.
rabiene
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Beitrag: # 36507Beitrag rabiene »

Mikkel Rev hat geschrieben: Wenn man den ganzen Tag die neue Sprache spricht, im Radio und TV hört und Zeitungen studiert, stellt bald fest, dass er bei manchen Wort durchaus überlegt, welche deutsche Entsprechung es hat.
So geht's mir auch immer.....
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