Altersarmut

Rußland, Estland, Lettland, Weißrußland, Littauen, Ukraine, Moldawien
und was wir vergessen haben, sorry.

Moderatoren: Siggi!, Moderatoren

Benutzeravatar
henry
Beiträge: 1719
Registriert: Sa Dez 06, 2008 3:44 pm
Wohnort: seit mehr als 5 Jahren Cartagena/Colombia

Altersarmut

Beitrag: # 49039Beitrag henry »

Siggi! hat geschrieben: Mindestrente von ca. 100 Euro ....
Mensch Siggi, gerade gestern hab ich noch an dich gedacht und wollte es eigentlich hier posten. Jetzt, wo du mir das stichwort gibst, hole ich es nach: Laut SPIEGEL ist die Mindestrente exakt nur 81 euro. Klar, 81 euro sind fuer uns "ca 100 euro", wie du es formulierst. Aber konkret sind es halt wichtige 19 euro weniger.

Zitat: "Rund 80 Prozent der Rentner in der Ukraine bezogen 2012 die kärgliche Mindestrente von 81 Euro."

http://www.spiegel.de/politik/ausland/u ... 81043.html

Beiträge abgetrennt und verschoben.
Gruesse Henry
Benutzeravatar
Siggi!
Moderator
Beiträge: 6284
Registriert: So Jul 10, 2005 7:43 pm
Wohnort: Republik Krim, RU

Beitrag: # 49040Beitrag Siggi! »

Wenn Du wert darauf legst, kann ich es exakt machen. Aber warum der Aufwand?

Ich erzähle hier kein Medienwissen. Die Großmutter meiner Frau bekommt Mindestrente. Ihr geht es finanziell nicht so schlecht, da wir helfen (sie ist 92, hat diverse Krankheiten, ist ein Pflegefall, wir haben 2 Betreuerinnen in Wechselschicht für sie eingestellt).

Im Bekanntenkreis haben wir einen Uni-Dozenten, der nach einem Schlaganfall schwerbehindert ist. Er hat keine Kinder und ist nur auf das öffentliche System angewiesen. Ich weiß daher sehr genau, wie es bei ihm aussieht. Wenn ich früh genug aufstehe, kann ich auch die Rentner beim Durchwühlen der Müllcontainer beobachten. Dafür brauche ich den Spiegel wirklich nicht.

Aber woran liegt diese Altersarmut? Niemand will in die RV einzahlen. Lohnbestandteile im Umschlag sind Standard in UA. Das aktuelle Nettoeinkommen zählt viel mehr, als die Alterssicherung.

Abgesehen davon fehlt es an Vertrauen zu glauben, der Staat würde die Gelder der Rentenversicherung nicht missbrauchen. Die Ukraine hat ein schlechtes Rating, ein Staatsbankrot (sogar dieses Jahr) ist durchaus im Bereich des möglichen. Die Leute haben Währungsreform, Hyperinflation, Verlust sämtlicher Sparguthaben in den 90er Jahren durchlebt. Selbst in der Krise 2008 starben einige Banken. Das prägt.

Wie heißt es doch so schön: "Nur eines ist sicher in der Ukraine, die Unsicherheit."

Gruß
Siggi
Benutzeravatar
henry
Beiträge: 1719
Registriert: Sa Dez 06, 2008 3:44 pm
Wohnort: seit mehr als 5 Jahren Cartagena/Colombia

Beitrag: # 49041Beitrag henry »

Siggi! hat geschrieben:Wenn Du wert darauf legst, kann ich es exakt machen. Aber warum der Aufwand?
@Siggi, so war das doch nicht gemeint, ich bitte um Nachsicht.

Nein, egal ob nun 100 euro oder 81 euro. Die Groessenordnung ist es, die einem so fremd ist.

Aber ok, in Kolumbien - von einer Rente rede ich jetzt nicht mal - ist das gesetzlich vorgeschriebene Mindesteinkommen rund 570.000 pesos, und es wird sehr oft noch illegal unterschritten. Das sind 240 Euro monatlich; und damit muss dann eine Verkaeuferin auch noch ihre 3 Kinder und die Oma mit durchbringen.

Einfach diese Groessenordnungen, die sind es, die man sich vor Augen halten muss, wenn man aus dem reichen deutschland kommt....
Gruesse Henry
Benutzeravatar
Siggi!
Moderator
Beiträge: 6284
Registriert: So Jul 10, 2005 7:43 pm
Wohnort: Republik Krim, RU

Beitrag: # 49042Beitrag Siggi! »

henry hat geschrieben:Die Groessenordnung ist es, die einem so fremd ist.
Aber um die Größenordnung richtig einschätzen zu können, muss man auch die Kosten sehen. Das ist komplex. Einige Dinge (Grundnahrungsmittel, Obst und Gemüse in der Saison sind eben auch mehrfach billiger). Mit kleinem Einkommen sind aber Fleisch und Käse Luxus. Wohneigentum ist Standard, da die Wohnungen nach dem Ende der SU an die Bewohner übereignet wurden, also sind i.a. keine Mieten zu zahlen.

Die meisten Leute haben zusätzlich zur Gewinnung von Lebensmitteln einen Schrebergarten. Nur mit Hilfe dieser Schrebergärten haben Großteile der Bevölkerung die Krise nach dem Zusammenbruch der SU überlebt. Es gab Zeiten, da hatte beispielsweise die Schwiegermutter den letzten Lohn vor 6 Monaten erhalten.

Wenn ich mir solche Zustände in der BRD vorstelle. Die Mehrzahl der Leute ist vom sozialen Netz so verwöhnt, die wüssten ja gar nicht, wie sie überleben könnten.

Die Zustände normalisieren sich in UA immer mehr in den letzten Jahren. Es gibt sogar ein kleine Mittelschicht. Auf der Strecke bleiben aber die Rentner. Die sind i.a. auf die Hilfe der Kinder angewiesen, sonst wird es wirklich extrem hart. Vor einem Supermarkt fragte uns eine Großmutter nach Geld für Medizin. Die sollte ca. 20 Euro kosten. (Die ärztlichen Leistungen selbst sind frei, aber die Medikamente müssen gezahlt werden.) Bei einer kleinen Rente ist das ein echtes Problem. Viele Leute haben (gerade im Alter) Bluthochdruck oder Diabetes, aber unternehmen nichts, da sie sich das Geld für die Medikamente sparen wollen. Gar nicht so selten resultiert aus dieser Sparsamkeit eine Schwerbehinderung oder der Tod.

Gruß
Siggi
sudu

Beitrag: # 49046Beitrag sudu »

Hallo Siggi

In Sri Lanka ist es nicht besser. Wenn die Familie nicht zusammenhält, sind die Alten aufgeschmissen.
Da hier aber 76% Buddhisten sind und um die 20% Hindus, ist es für die Kinder fast Pflicht, für Ihre Eltern zu sorgen.

Gruss

sudu
Jambo
Beiträge: 633
Registriert: Fr Jan 30, 2009 7:29 am
Wohnort: Absurdistan

Beitrag: # 49048Beitrag Jambo »

Hallo,

leider gibt es in Africa noch ganz andere "Größenordnungen" :(

Hier gibt es für etwa 80% der Menschen im Rentenalter gar nix, denn sie waren niemals irgendwo angestellt, und eine gesetzliche Mindestrente sind Phantasien von außerhalb Africas :roll:

Mein Schwiegervater arbeitete 40 Jahre bei der Post ...
seine Rente ist knapp 50.- Euro mtl. :shock:

Der Mindestlohn wurde gerade auf 70.- mtl. festgelegt ...
interessiert niemanden ... housegirl 30.- ... Kellner 40.- Bauarbeiter 80.- im Monat.

Da kann man nur überleben, wenn die ganze Familie zusammen rückt ...
deswegen auch 8-12 Kinder ... irgendeiner von denen wird schon was, und schafft es ins gelobte Land nach Europa oder Nordamerika :roll:

Meine Frau hat 4 Brüder und 4 Schwestern ... sie ist nun in Deutschland ... 2 andere Schwestern in Schweden, da verhungert zumindest mal niemand.


Viele Grüße
Jambo


.
Benutzeravatar
Siggi!
Moderator
Beiträge: 6284
Registriert: So Jul 10, 2005 7:43 pm
Wohnort: Republik Krim, RU

Beitrag: # 49051Beitrag Siggi! »

sudu hat geschrieben:Da hier aber 76% Buddhisten sind und um die 20% Hindus, ist es für die Kinder fast Pflicht, für Ihre Eltern zu sorgen.
Ich weiß nicht, ob dies etwas mit der Religion zu tun. Diese wurde in der Ukraine ja stark zurück gedrängt. Die Zusammenhalt in der Familie ist trotzdem um Größenordnungen über dem, was ich je kannte.

Beispiel: Ich sprach mit meiner Mutter meist einmal die Woche, in der Regel bei einem Besuch am Wochenende, sonst per Telefon. Meine Frau hingegen kontaktiert sie mehrmals täglich (per Skype). Die beiden sind über fast jede Kleinigkeit im Leben des anderen informiert. Hat sie ein Kleidungsstück bekommen, ist der erste Schritt zu Skype und per Webcam wird es Mutter und Großmutter präsentiert.

Einiges erinnert mich an Erzählungen meiner Mutter über die Nachkriegszeit. Die Not schweißt zusammen. Im Überfluss gibt es nur Konkurrenz, Neid, streben nach materiellen Dingen und die Menschen vereinsamen.

Gruß
Siggi
Benutzeravatar
Siggi!
Moderator
Beiträge: 6284
Registriert: So Jul 10, 2005 7:43 pm
Wohnort: Republik Krim, RU

Beitrag: # 49052Beitrag Siggi! »

Jambo hat geschrieben:leider gibt es in Africa noch ganz andere "Größenordnungen" :(
Das glaube ich gern. Aber der Vergleich hinkt, denn die Voraussetzung sind ungleicher, wie sie nicht seien könnten. Die Ukraine hat eine sehr geringe Analphabetenquote und sehr viele sind hochqualifiziert mit abgeschlossenen Hochschulstudium. Die Infrastruktur am Ende der SU entsprach der einer (zugegeben maroden) Industrienation. Die Schwarzerdeböden gehören zu den fruchtbarsten auf dem Planeten und ca. ein Drittel davon befindet sich in der Ukraine.
http://www.agrarboden-ukraine.de/

Trotz dieser extrem guten Voraussetzungen schafft es die Ukraine nicht, das Potential zu realisieren. Den Rentner ging es zur Zeiten der SU viel besser, das steht außer Zweifel.

Gruß
Siggi
Benutzeravatar
Anette1986
Beiträge: 13
Registriert: Do Sep 26, 2013 3:13 pm

Beitrag: # 51253Beitrag Anette1986 »

Hallo,

gibt es denn irgendwo Statistiken über Durchschnittsrenten und Rentenalter? Mein Eindruck in der Ukraine ist eigentlich, dass Menschen auch über 60 noch regelmässig einer Tätigkeit nachgehen (müssen).... wäre interessant, das mal nachzulesen.

LG
Lebenlassen
Beiträge: 14
Registriert: Sa Mai 24, 2014 5:29 pm

Beitrag: # 54141Beitrag Lebenlassen »

Was exakt bringt es denn, wenn man das nun weiß?

Dass man weniger jammert? Oder fälschlicherweise deutsche Rentner denken, es reichen 600,- Euro zum Leben dort für Sie aus?
Benutzeravatar
Siggi!
Moderator
Beiträge: 6284
Registriert: So Jul 10, 2005 7:43 pm
Wohnort: Republik Krim, RU

Beitrag: # 54147Beitrag Siggi! »

Lebenlassen hat geschrieben:Oder fälschlicherweise deutsche Rentner denken, es reichen 600,- Euro zum Leben dort für Sie aus?
Ein mir bekannter ehemaliger Frührentner lebt von einem kleinen Betrag in UA, nachdem die Frührente gestrichen wurden. Es geht schon, wenn man genügsam ist. Man könnte natürlich auch argumentieren, dass er mit Hartz IV in DE besser leben würde.

Gruß
Siggi
Benutzeravatar
kurtchen
Beiträge: 1175
Registriert: Fr Jul 08, 2005 6:34 pm
Wohnort: nach 5 Jahren Beneluxländer in Köln gelandet

Beitrag: # 54149Beitrag kurtchen »

@Siggi, aber ohne Russisch/Ukrainisch Kenntnisse, da kann wohl kaum jemand auf der Krim leben, ich meine ein deutscher Rentner. Oder ?

Besser wären da schon der Plattensee da dort sogar mehr Deutsch als Englisch als Fremdsprache gesprochen wird.
Henry und Spassi - Eure Expertise fehlt im Forum !
Benutzeravatar
Siggi!
Moderator
Beiträge: 6284
Registriert: So Jul 10, 2005 7:43 pm
Wohnort: Republik Krim, RU

Beitrag: # 54153Beitrag Siggi! »

Der Bekannte lebt in der Ukraine (nicht auf der Krim) mit seiner ukrainischen Frau. Seit dem Ende seiner Frührente muss er arbeiten. Dafür benötigt man zumindest rudimentäre Sprachkenntnisse. Ohne Arbeit und mit einheimischen Partner wäre ein Spracherwerb nicht zwingend notwendig.

Ein deutsch/deutsches Rentnerpaar ist mir nicht bekannt. Es wäre wohl auch nicht einfach, eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten.

Gruß
Siggi

P.S: Als ich einen Sommer immer bei einem Gemüsestand eingekauft habe, fing die Verkäuferin auf einmal an, mit mir einige Worte Deutsch zu sprechen, obwohl ich meine ganzen Bestellungen immer in Russisch aufgegeben habe. Diese Effekte gibt es, wenn man ein geschätzter Kunde ist.
Benutzeravatar
kurtchen
Beiträge: 1175
Registriert: Fr Jul 08, 2005 6:34 pm
Wohnort: nach 5 Jahren Beneluxländer in Köln gelandet

Beitrag: # 54155Beitrag kurtchen »

Also eine ukrainsche Frau heiraten ist die Lösung, haben zwei Bekannte von mir auch gemacht. Einer ist glücklich, beim anderen hält nur das gemeinsame Kind die beiden von der Scheidung ab, getrennte Zimmer und so weiter.

Kann eigentlich jeder EU in der Ukraine wohnen oder bedarf es besonderer Formalitäten , sowas wie eine Greencard ect. ? Oder einer ukrainischen Ehefrau ?
Henry und Spassi - Eure Expertise fehlt im Forum !
Benutzeravatar
Siggi!
Moderator
Beiträge: 6284
Registriert: So Jul 10, 2005 7:43 pm
Wohnort: Republik Krim, RU

Beitrag: # 54161Beitrag Siggi! »

UA ist kein Einwanderungsland. Die Aufenthaltsgenehmigung gibt es für EU Bürger genauso einfach oder schwierig wie für jeden anderen:
http://www.auswandern-webforum.de/forum/ftopic2598.html

Gruß
Siggi
Antworten

Zurück zu „Im Osten“