Heimweh

alles, was nicht in die speziellen Länderrubriken paßt

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Aufunddavon
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Beitrag: # 40159Beitrag Aufunddavon »

Okay, sorry.

Also Heimweh. Im Moment kann ich mir noch gar nicht vorstellen, Heimweh zu bekommen. Ich wandere demnächst innerhalb Deutschlands (von Berlin nach Bremen) und alles was ich vermissen werde sind meine Katze und meine Eltern.
Ich kann es nicht abwarten, aus Deutschland wegzukommen und sehne mich jetzt schon noch dem bevorstehenden Auslandssemester.
Aber so haben am Anfang bestimmt die meisten gedacht, oder?
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Jupp
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Beitrag: # 40166Beitrag Jupp »

Aber so haben am Anfang bestimmt die meisten gedacht, oder?
Vermutlich. Würdest Du schon mit riesigem Heimweh wegfahren, dann wäre das sicher kein guter Start.
Auswandern? Eher nicht, aber ein Altersruhesitz irgendwo im Nirgendwo?
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homerbundy
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Beitrag: # 40191Beitrag homerbundy »

Heimweh hatte ich zuletzt, als ich vor zwei Jahren für 6 Wochen in das Land gereist bin, wo ich seinerzeit zufällig geboren worden war und dann rund 35 Jahre gelebt habe.

Kaum war ich dort angekommen, wollte ich unbedingt sofort wieder heim...
LJ
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Beitrag: # 40257Beitrag LJ »

Aufunddavon hat geschrieben:Wenn wir mal beim Thema Heimweh sind würde mich interessieren (und ich hoffe das ist nicht off-topic), was für euch das 'Fass zum Überlaufen gebracht hat', bzw. was der letzte, ausschlaggebende Grund zum Auswandern war.
Bei mir gab es immer andere Gründe, warum ich "ausgewandert" bin, zB:

3 Jahre London: arbeitsbedingt
ca.6 Jahre Bolivien. Familie, da ich Bolivianische Familie/Wurzeln/Pass habe.

In Bolivien war ich 5 Jahre ohne das Land zu verlassen. Trotzdem hatte ich nach Deutschland überhaupt kein Heimweh. Ich habe allerdings auch bestimmte Produkte, wie manche Käsesorten oder Schinken vermisst, aber jetzt wo ich in Deutschland bin, esse ich das kaum.

TV habe ich zum Teil vermisst, aber in Lateinamerika kann man alle US Filme und Serien im Originalton sehen, was mir besser gefällt als Deutsche Synchron.
KTill
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Was muss passieren damit das Heimweh weggeht?

Beitrag: # 41597Beitrag KTill »

Hallo an alle!

Ich würde die Diskussion aus persönlicher Betroffenheit gerne wieder aufgreifen. Vor drei Monaten bin ich nach Südfrankreich gezogen, um dort zu studieren. Es handelt sich dabei ganz bewusst nicht um einen auf bestimmte Zeit befristeten Aufenthalt nur für das Studium, sondern ich sehe mich schon als Auswanderer, auch wenn ich die Zelte in Deutschland nicht ganz abgebrochen habe (Bankkonto und finanzielle Abhängigkeit vom deutschen Staat besteht noch). Im Geiste ist es ganz klar das Ende mit Leben in Deutschland und der Anfang in Frankreich.

Wie zu erwarten war, plagte mich in den ersten Wochen natürlich ordentlich das Heimweh, zumal ich im Ruhrgebiet viele gute Freunde und eine Region, die mir wirklich am Herzen liegt, zurückgelassen habe. Zwischenzeitlich ging es sehr gut mit dem Heimweh, jedoch habe ich jetzt, nach genau drei Monaten, das Gefühl, dass mein wiedergekehrtes Heimweh vielleicht ein Zeichen dafür ist, dass ich meiner alten Heimat doch zu stark verbunden bin.

Wie war es denn bei euch? Wie lange brauchte es, um sich vom Heimweh befreien zu können? Was musste passieren (sprachliche Fortschritte, endlich die richtige Wohnung gefunden zu haben, einen Partner in der neuen Heimat gefunden zu haben, etc.) um sich vollständig angekommen zu fühlen?
makis

Beitrag: # 41603Beitrag makis »

Ich denke wie lange es dauert hängt davon ab wie stark du mit der Heimat verbunden bist, und ob Heimat für dich mehr die Region ist in der du gewohnt hast oder die Freunde/Familie dort.
Für dich ist anscheinend beides sehr wichtig. Noch dazu bist du allein weggegangen. Ich denke wenn du dort, wo du wohnst, einen Partner gefunden hast macht das vieles leichter. Außerdem müssen dir Land und Leute liegen, was ja der Fall zu sein scheint weil du dort ja hinwolltest.
Du studierst, also hast du sicherlich eine Menge Leute um dich rum. Versuch welche zu finden die deine Interessen teilen, lass dich auf sie ein, sei neugierig und offen für das Neue. Die Sprache sprichst du sicherlich den ganzen Tag, das dürfte also kaum ein Hindernis sein.
Ich persönlich bin seit vier Jahren von Deutschland weg und hatte noch nie Heimweh. Liegt aber sicher daran dass ich nicht allein war, und keine große Verbundenheit gespürt habe zu dem Ort wo ich zuletzt gewohnt hatte.
Hab einfach ein bisschen Geduld mit dir selber, und versuch durchzuhalten, es sei denn du bist todunglücklich: dann solltest du vielleicht doch lieber zurückgehen.
Alles Gute!
lg
makis
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Siggi!
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Beitrag: # 41604Beitrag Siggi! »

Für mich waren 3 Dinge wichtig:
1. Meine Frau war dabei
2. Über Skype und VoIP Flatrate sind jederzeit Kontakte kostenfrei nach DE moeglich.
3. Ich konnte jederzeit zurueck nach DE (so weit bin ich ja nicht weg und die Reisekosten fallen nicht ins Gewicht).

Daher gab es bei mir niemals Heimweh.

Gruß
Siggi
homerbundy
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Re: Was muss passieren damit das Heimweh weggeht?

Beitrag: # 41606Beitrag homerbundy »

KTill hat geschrieben:...Wie zu erwarten war, plagte mich in den ersten Wochen natürlich ordentlich das Heimweh...
War das denn zu erwarten? :shock:

Entweder hattest du genug gute Gründe, um aus dem Ruhrpott wegzugehen, oder nicht. Dann stellt sich aber gleich auch die Frage, warum du überhaupt weggegangen bist.

Auswandern funktioniert nicht, wenn man nicht 100%ig überzeugt davon ist, dass man es auch wirklich will. Und wenn man 100%ig überzeugt ist, dann gibt es im Umkehrschluss auch kein wirkliches Heimweh. Denn man hatte ja mehr als genug gute Gründe, um wegzugehen.
Falls du die nicht hattest und falls deine finanzielle Abhängigkeit vom deutschen Staat noch immer besteht, dann solltest du wirklich deine Koffer packen und zurückgehen. Alleine schon die Tatsache dass du finanziell vom Staat abhängig bist sollte dir mehr als deutlich zeigen, dass du vielleicht einfach doch nicht die Kraft hast, aus eigenen Dingen etwas auf die Beine zu stellen. Da kannst du genauso gut im Ruhrpott bleiben und sprichst dort wenigstens sogar die Sprache.

Sorry, aber ich hab' leider prinzipiell schon eine Aversion gegen finanzielle Hilfe vom Staat. Ich war 1991 einmal 4 Monate arbeitslos gemeldet und das war's für mich. Mehr konnte ich nicht für meine Initiativlosigkeit in Anspruch nehmen.

Ich bin 2006 mit knapp $10,000,-, einem Besuchervisum, einem Laptop und einer Reisetsche mit ein paar Kleidungsstücken in die USA gegangen. Heute hab' ich eine Firma mit 3 Mitarbeitern (exkl. mir), wohne in einer teuren Gegend, hab' vier Autos und brauch' weder von meinem alten noch von meinem neuen Staat etwas. Heimweh gab's nie für mich, denn ich wusste was ich wolte und hab' das durchgezogen.
Andere haben mit weniger viel mehr erreicht, aber ich bin auch halbwegs zufrieden und es wird auch für mich hoffentlich noch mehr werden, wenn ich durchhalte. Ich habe meine persönlichen Möglichkeiten, meine Arbeitskraft, mein Wissen und meine Fähigkeiten ausgeschöpft. Das mag vergleichsweise nicht so viel sein, aber soweit hat's für ein halbwegs brauchbares Leben gereicht.

Alleine die Tatsache, dass du genug Zeit hast um dir über "Heimweh" Gedanken zu machen zeigt, dass du (noch) nicht genug intensiv an deinem neuen Leben arbeitest. Als erstes solltest du die Initiative ergreifen, dass du dem alten Staat nicht mehr auf der Tasche liegen musst. Das ist der wichtigste Schritt in Richtung tatsächlich neuem Leben. Wenn dir das schon nicht gelingt, dann: au revoir!

Verwechsle nicht "die guten alten Zeiten" mit Freunden, usw., mit Heimweh! Rückblickend betrachtet, schaut alles immer irgendwie besser aus. Ruf' dir stattdessen die Beweggründe in Erinnerung, die dich zum Weggang bewogen haben. Und dann schau' nach vorne, such' dir neue Freunde, erlebe Dinge auf welche du dann in ein paar Jahren wiederum als "gute alte Zeiten" zurückblicken kannst. Und vor allem: Ergreif' die Initiative und mach' deine Träume und Erwartungen wahr!
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Siggi!
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Re: Was muss passieren damit das Heimweh weggeht?

Beitrag: # 41607Beitrag Siggi! »

homerbundy hat geschrieben:Auswandern funktioniert nicht, wenn man nicht 100%ig überzeugt davon ist, dass man es auch wirklich will.
Jedes Land hat seine ganz spezifischen Vor- und Nachteile. Da kann man bei realistischer Betrachtung eigentlich nie 100% überzeugt sein. Z.B. war die Auswanderung bei mir ein ökonomisches Risiko (weil meine Situation bei der Auswanderung mit Deiner aktuellen Situation vergleichbar ist). Es hat Jahre nach meiner Auswanderung gebraucht, bis ich mir sicher genug war, keine Rückkehroption zu benötigen und dann mein Haus in DE veräußern zu können.
Falls du die nicht hattest und falls deine finanzielle Abhängigkeit vom deutschen Staat noch immer besteht, dann solltest du wirklich deine Koffer packen und zurückgehen.
Jeder Rentner im Ausland ist i.a. auch vom deutschen Staat abhängig und lebt aber trotzdem dort.
Alleine schon die Tatsache dass du finanziell vom Staat abhängig bist sollte dir mehr als deutlich zeigen, dass du vielleicht einfach doch nicht die Kraft hast, aus eigenen Dingen etwas auf die Beine zu stellen.
Finanzielle Unabhängigkeit als Student, wer hat das schon?
Sorry, aber ich hab' leider prinzipiell schon eine Aversion gegen finanzielle Hilfe vom Staat.
Sorry, aber wenn die Eltern nicht vermögend genug sind, wie soll man dann ohne Bafög studieren? Ohnehin ist ca. die Hälfte der Leistung ein Darlehn.
Alleine die Tatsache, dass du genug Zeit hast um dir über "Heimweh" Gedanken zu machen zeigt, dass du (noch) nicht genug intensiv an deinem neuen Leben arbeitest.
Nicht alles so eng und verbissen sehen! Arbeit (oder Studium) ist dazu da, das Leben zu finanzieren, nicht aber es zu beherrschen. Kritische Eigenreflektionen schaden i.a. nicht!

Gruß
Siggi
homerbundy
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Re: Was muss passieren damit das Heimweh weggeht?

Beitrag: # 41618Beitrag homerbundy »

Siggi! hat geschrieben:...Sorry, aber wenn die Eltern nicht vermögend genug sind, wie soll man dann ohne Bafög studieren? Ohnehin ist ca. die Hälfte der Leistung ein Darlehn...
Naja, dann muss man halt arbeiten, um sich sein Studium zu finanzieren. Finanzielle Förderung in Form von Stipendien für nachweislich Hochbegabte aus ärmeren Schichten ist ok, aber Giesskannenprinzip darf's keines geben.

Und zum Thema Pensionisten: Die meisten Pensionisten haben ihr Leben lang Beiträge einbezahlt. Das ist keine "Abhängigkeit" vom Staat, sondern nur eine Rückzahlung des Darlehens, welches die Pensionisten dem Staat gegeben haben - in einer idealen Welt zumindest... :roll:

Wer hingegen noch nichts geleistet hat, muss selber schauen müssen wie er sich in der Gesellschaft poitionieren und etwas beitragen kann. Es kann nicht nur Magister und Doktoren geben. Es braucht schon auch ein paar Arbeiter. Nicht jeder ist zum Doktor geboren. Es gibt auch Leute, die einfach nicht das Durchhaltevermögen und/oder ausreichend Intelligenz besitzen. Wir sind eben nicht alle gleich. Die Evolution war bisher gut zu den Menschen als Spezies.
Lassen wir ihr daher weiterhin ein bisschen Spielraum zum Arbeiten! :wink:
spassmusssein
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Heimweh...oh Du Schmerzensreiche...

Beitrag: # 41619Beitrag spassmusssein »

...neige deinen Hals, den weissen.
Also Heimweh hatte ich im nunmehr neunten Jahr im Zukunftsland Nr. 3 der Jahre nach dem Kometeneinschlag zuletzt vor zwei (in Zahlen "2") Wochen.
Da war ich im öden und zu heissen Asuncion und wehte heim nach meinem Hausi in Buenos Aires, den freunden hier, den diversen Stammtischen, den üblichen Lockercharlas in diversen Kneipen, der schlechten Luft und ebent...
...zu Hause zu sein.
Deutschland würde ich heute nicht mehr ansatzweise verstehen, die paar Freunde, die mich hier noch nie besuchten, sind mir eh entwachsen...entwöhnt...verstehen mich ohnehin kaum mehr und seit den Herren Western und Union kann man selbst die Grabpflege seiner Altvorderen von Fernab organieren.
Da letzten Samstag im zugegebenermassen obergeilen Stadion von "Racing" auch noch Rammstein auftrat und ich irgendwie das Gefühl hatte, Till Lindemann habe mir (berechtigtermassen, als einzigem Original-Panama-Sombrero-Träger) freundlich zugewunken...wozu heimwehen, die Guten kommen eh bei mir zu Besuch.
Wer Heimweh realiter erleidet oder erlebt, sollte seine Auswanderung überdenken...Du bist nur an einem Ort zu Hause und dieser ist im Bestenfall in Dir selbst.
Wo auch immer.
Well, my son, life is like a beanstalk...isn´t it (Gary Brooker)
himmelhilf
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KTill

Beitrag: # 41621Beitrag himmelhilf »

sondern ich sehe mich schon als Auswanderer
Als Student, somit ohne entsprechende, die Lebensgrundlage ermöglichende Erwerbsmöglichkeit, ist der Wunsch nach dem heimeligen Nest im Ruhrgebiet verständlich.

Wenn man sich in Ausbildung/Studium bereits als ausgewandert betrachten möchte, bedarf es eines sehr robusten Charakters.

Als Auslandsstudent würde ich mir die belastende Denkweise, ich sei bereits ein Auswanderer nicht antun.

Grundlage eines jeden Lebens, egal an welchem Ort der Welt, ist die Sprache und ein finanzielles Auskommen, sowie Sozialkontake.

Lerne die französiche Sprache, absolviere das Studium, halte Kontakt nach Deutschland und warte ab, ob sich nach dem Studium eine das Leben finanzierende Tätigkeit in Frankreich ergibt und entscheide dann.

Auch ein Leben zwischen den Welten ist möglich im Berufsleben, heute Südrankreich, morgen Ruhrgebiet,...

Welten kann man eigentlich nicht sagen, das Ruhrgebiet grenzt dank Billigflieger heute direkt an Südfrankreich.

Wir Deutschen neigen dazu, uns das Leben zu schwer zu machen, durch selbst auferlegte gedankliche Hürden.
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Siggi!
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Re: Was muss passieren damit das Heimweh weggeht?

Beitrag: # 41622Beitrag Siggi! »

homerbundy hat geschrieben:Naja, dann muss man halt arbeiten, um sich sein Studium zu finanzieren. Finanzielle Förderung in Form von Stipendien für nachweislich Hochbegabte aus ärmeren Schichten ist ok, aber Giesskannenprinzip darf's keines geben.
Dann muss anders herum auch die Hochschule die Studiengänge so anpassen, dass sie mit einer beruflichen Tätigkeit vereinbar sind. Nachts Taxi fahren und glauben, tagsüber komplexe Zusammenhänge lernen zu können, wird nicht funktionieren.

Fördert man nicht mit Giesskannenprinzip, so werden weniger Menschen aus unteren Einkommensschichten höhere Qualifikationen haben. Sie werden schlicht und ergreifend die Doppelbelastung durch Studium und Arbeit meiden. Dagegen sind die Kinder aus den besserverdienenden Haushalten bevorzugt: Papa bezahlt Wohnung, Auto und Studium! Solange ein Staat eine annähernde Chancengleichheit im Bildungswesen als Ziel hat, muss das Studium finanziell gefördert werden.

Fördert man nicht, so wird es also weniger Personen mit hoher Qualifikation in einem Land geben. Jede Industrienation benötigt aber gerade diese, denn die einfachen Arbeiten werden zunehmend in Billiglohnländer verlagert. Also ist die Förderung auch im Interesse der langfristigen Reduzierung der Arbeitslosigkeit und der Erhöhung der internationalen Konkurrenzfähigkeit eines Landes. Meines Erachtens geht an der Förderung aus Vernunftsgründen kein Weg vorbei und das Geld ist dort sicher besser angelegt als beispielsweise in Rüstungsgütern.
Das ist keine "Abhängigkeit" vom Staat, sondern nur eine Rückzahlung des Darlehens, welches die Pensionisten dem Staat gegeben haben - in einer idealen Welt zumindest
Defakto besteht eine Abhängigkeit: Ist die Lohnsumme niedrig, wenn man selbst ins Rentenalter kommt, wird die eigene Rente auch niedrig sein. Trotz Auslandswohnsitz ist der Rentner abhängig von den Bedingungen in seinem Ursprungsland. Der Rentner ist hier gleichgestellt mit jedem Auswanderer, der sein Einkommen weiterhin aus dem Heimatland bezieht.

Gruß
Siggi
KTill
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Beitrag: # 41626Beitrag KTill »

Vielen Dank zunächst für den reichlichen Input!

Ich werde mal nummerieren: ;)

1. Die Sprache beherrsche ich als Fremdsprachenkorrespondent selbstverständlich. Vielmehr die Fähigkeit, Dinge (beim Flirten beispielsweise) gezielt nuanciert auszudrücken, ist es, die mir meines Erachtens nach noch ein wenig fehlt. Das lernt man in der Schule aber auch nicht. Zudem mangelt es dem Großteil der Franzosen an einem Mindestmaß multikultureller Kompetenz. Wenn man da mal ne Vokabel sucht, gucken viele nur blöd drein statt einem zu helfen. Nicht, dass ich Hilfe erwarte, ich erwarte als Gast erst einmal gar nichts, es frustriert nur ab und an weil man den ein oder anderen Behördengang dann mit dem Gefühl beendet, nicht gut genug zu sein.

2. Finanziell abhängig heißt bei mir Bafög. Da es sich hierbei um ein Darlehen handelt, habe ich dabei auch keinerlei schlechtes Gewissen. Ich bin hochmotiviert (im Ausland studieren hat ja nun auch karrieretechnische Vorteile), versuche meist mehr zu leisten als die anderen und hoffe meinem finanziellen Förderer später etwas zurückgeben zu können. Nebenbei arbeite ich freiberuflich als Schreiberling und Übersetzer, was allerdings nicht viel abwirft, da ich eine Professionalisierung momentan scheue, um im Studium nicht nachzulassen. Kurzum: ich bin ganz gewiss nicht der Typ 19-jähriger Student aus gutem Umfeld, der denkt Geld und Karriere fallen vom Himmel. Dies geht besonders an HOMERBUNDY, dessen Einstellung ich einerseits schätze (jeder ist seines eigenen Glückes Schmied und geht nicht, gibt's nicht), dessen Rückschlüsse auf das Gesamtsystem ich jedoch nicht verstehen kann. Wie kommst du dazu, mir mein Fortgehen aus den von dir dargelegten Gründen abzusprechen? Ich habe lediglich eine Vermutung. Ist dir der Begriff Resilienz im psychologischen Kontext und die oftmals daraus resultierende geringe Empathie für Schwächere bekannt? Nur weil du deine Tellerwäscher-Geschichte erfolgreich gemeistert hast, muss das nicht heißen, dass absolut niemand mehr in irgendeiner Weise Hilfe erhalten sollte. Das klappt halt nicht bei jedem und ist daher umso bemerkenswert.

3. Ich habe bereits einen Haufen Freunde. Ich hätte gerne mehr französische Freunde, die im Gegensatz zu den Erasmus-Studenten mehr als nur ein Jahr bleiben, aber ganz so leicht geht das halt nicht.

4. Es gibt, abgesehen vom Klima und vom bescheurten Zwangsdienst, den ich letztes Jahr leisten musste, keinerlei Gründe Deutschland negativ zu betrachten. Die Probleme, die mir in der deutschen Gesellschaft das Leben ein wenig schwer machen, gibt es in allen europäischen Gesellschaften. Für Übersee hab ich bisher aber noch nicht die Kohle (@homerbundy: die USA wegen ihres Liberalismus könnte ich mir mittelfristig auch gut vorstellen und das dann aber hoffentlich gänzlich ohne finanzielle Abhängigkeit). Die Entscheidung, Fortzugehen basiert bei mir einzig und allein auf dem Wunsch nach mehr. Ein Studium in meiner Fachrichtung wäre in Deutschland erst in zwei Jahren und im Alter von 25 möglich gewesen. Zudem lerne ich hier perfekt Französisch und zeige, dass ich robust bin (auch wenn das Heimweh gerade nicht den Anschein macht). Das Klima war auch ein wichtiger Beweggrund für mich.
Ich denke, dass tatsächlich genau da das Problem liegt. Im Gegensatz zu vielen anderen Auswanderern ist das Fortgehen für mich eher eine Optimisierung dessen, was auch in Deutschland funktioniert hätte, und nicht die Flucht aus der beuflichen Sackgasse oder vor persönlichen Konflikten mit der alten Heimat. Ich bin super froh darüber, dass mein Vater damals gerade nach Deutschland gegangen ist und ich dort aufwachsen durfte. Das muss aber nicht heißen, dass ich mein Leben lang dort bleiben muss. Für mich basiert die Entscheidung auf einer gewollten Abgrenzung von der üblichen Lebensplanung meiner Altersgenossen. Ich habe keine Lust, mich mit einer "Muttersprache" oder mit dem schlechten Wetter in Deutschland zufrieden zu geben, auch wenn ich dabei Kohle vom Staat erhalte. Die Frage ist nur, ob sich das lohnt?

Vielleicht sollte ich mich, wie HIMMELHILF sagte, tatsächlich noch nicht als Auswanderer betrachten. Das Argument der guten Anbindung via Billigflieger hilft mir sehr. Auch Geduld brauche ich sicherlich mehr, wie MAKIS sagte. Zudem verwechsel ich wohl wirklich oftmals die "guten alten Zeiten" mit Heimweh, wie HOMERBUNDY sagte. Kurzum: Geduld haben und keine fiktiven Graben zwischen hier und Ruhrgebiet ziehen. Vielen Dank für eure tollen Beiträge! Ihr habt mir sehr geholfen!
homerbundy
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Beitrag: # 41628Beitrag homerbundy »

Na, das liest sich doch schon recht positiv! Es macht eben schon Sinn, ein paar Meinungen einzuholen - auch wenn manche davon auf den ersten Blick etwas unbequem erscheinen mögen. ;)

Kurz zu deiner Bemerkung:
Ist dir der Begriff Resilienz im psychologischen Kontext und die oftmals daraus resultierende geringe Empathie für Schwächere bekannt?
Dein Rückschluss ist nicht ganz zutreffend. Ich war schon immer ein grosser Anhänger der Evolution - auch im sozialen Kontext. Und das, obwohl ich leider eher selbst zu den weniger erfolgreichen Resultaten zähle. Ich bin nicht intelligent genug und zu wenig zielorientiert, um jede sich bietende Möglichkeit auszuschöpfen. Meine einzige Stärke ist Beharrlichkeit. Ich bleib' eben so lange an einer - ev. auch über lange Strecken aussichtslos erscheinenden - Sache dran, bis es funktioniert. Aber das halt nicht mit ausreichend Nachdruck, um den Prozess zu optimieren.

An einer Hauswand in Venice Beach steht zu lesen: "Life is what's happening while you're busy making other plans". Und ja, so ist das nun einmal in meinem Fall. Ich wollte nach Amerika, aber ich hätte schon Anfang/Mitte der 90er hier leben können. Aber es war halt immer was anderes zu tun und gerade wichtiger, etc.

Ja, ich hab's schlussendlich soweit geschafft, dass ich hier lebe und nicht in der schlechtesten Gegend und ja, ich hab noch keinen 54" Flatscreen und fahre kein neues Auto während andere, die gerade einmal ein paar Monate hier sind das alles und mehr schon haben. Aber ich bin's niemandem neidig, denn die waren halt geschickter, besser, hatten vielleicht ein bisschen mehr Glück, waren intelligenter als ich, oder was auch immer. That's Life...

Und ja, vielleicht kamen die aus einer reichen Familie, die ihnen ein leichteren Start ermöglicht hat. Na und? Auch das Vermögen der Familie musste einmal jemand erwirtschaften. Dann ist eben deren "Genpool" besser zusammengesetzt. Warum soll' ich mir darüber Gedanken machen? Ich bin der Mensch, der ich bin und damit muss ich leben. Ein paar hundert Euro vom Staat monatlich machen mich nicht intelligenter oder erfolgreicher. Sie verzerren nur die Tatsachen.

Ich kenne zahlreiche Fälle, wo Sprösslinge aus "reichen" Familien, denen alles von Kindheit an in den Verdauungstrakt geschoben wurde, im realen Leben später völlig abgeleert haben. Man hat's eben oder man hat's nicht. Eine aktuelle Studie aus Österreich belegt wiederum, dass zwar viele Kinder aus "armen" Familien ein Studium beginnen, dann aber - trotz finanzieller Unabhängigkeit durch staatliche Hilfe - erst wieder nichts zusammenbringen.

Unter'm Strich und nach Ausklammerung der Verzerrung durch die "Chancengleichheits-Bestrebungen", hängt es eben doch immer nur vom Individium ab was es aus sich herausholen kann. Und ja, klar gibt's immer wieder Beispiele dafür, das die Welt ungerecht und grausam ist. Da wird ein minderbemittelter Kollege/Kollegin bevorzugt, weil er/sie wen kennt oder mehr Muskeln/den kürzeren Rock hat. So what? :wink:

Also keine Sorge ;) Ich hatte kein traumatsiches Erlebnis in meinem Leben, das ich erfolgreiche gemeistert habe, um später weniger erfolgreichen Leuten äusserst kritisch oder gar verständnislos gegenüber zu stehen. Ich sage lediglich, dass es nichts nutzt eine vermeintliche Chancengleichheit zu generieren. Im Gegenteil! Man nimmt durch solche Massnahmen den vieleicht wirklich talentierten und ambitionierten Leuten einen guten Teil ihrer Motivation.

Nicht umsonst berichten die tollen erfolgsgeschichten immer von Leuten, die es von nichts auf 100 geschafft haben. Man liest nie von Leuten, die dank irgendwelcher staatlichen Förderung irgendwann ihr Studium abgesessen und dann im mittleren Mangament einer Firma ihr Auskommen gefunden haben. Naja, vielleicht bei der Grabesrede vor der handvoll Verwandten, die sich dann eines Tages einfinden weil sie auf's Erbe hoffen. Aber das war's auch schon...
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