hier wieder ein Livebericht aus der Stadt, die nicht weiß, ob sie Fisch oder Löwe ist.
Meine Frau und ich waren Sonntag ein wenig spazieren und wollten auf dem Rückweg noch etwas in der Orchard Road besorgen. Keine gute Idee, wie sich herausstellen sollte. Dank des Singapore-Sales ist die Innenstadt natürlich am Wochenende von Jägern und Sammlern aus aller Herren Länder geflutet. Nun waren wir zwar darauf eingestellt, dass Sonntag regelmäßig Maid-Tag (MAYDAY) ist und überall Heerscharen von Maids, die ihren freien Tag haben, Picknick machen und sonst auch ganz gut drauf sind. Aber an den Sales hatten wir natürlich nicht mehr gedacht. Sei es drum, nun waren wir halt drin und haben uns von der Masse durch die Gegend schieben lassen. Irgendwann standen wir vor einem Promo-Stand des hiesigen Roten Kreuzes. Ein Student klärte uns hier umfassend über die Vorzüge einer Donation und das tolle Gefühl etwas Gutes getan zu haben auf und bat uns anschließend sich mit einer Blutspende an der Aktion zu beteiligen.
OK nun bin ich also Sonnabend hier in der Nähe der Vivocity an der Harbour Front zum Blut abzapfen verabredet. Aber nicht ohne den Fragebogen, natürlich bitte schon vorher vollständig ausgefüllt, abzugeben. Alles klar dachte ich, ist ja nichts besonderes, ich habe in Deutschland auch regelmäßig gespendet. Nun haben ich mir also den besagten Fragebogen mal genauer angesehen und bin aus dem Staunen nicht herausgekommen. Wer der Meinung ist, dass Deutschland eine riesige Verwaltung hat, der kennt S'pore noch nicht.
Vielleicht sollte ich des besseren Verständnisses zum Hintergrund der Fragen noch erläutern, dass in Singapore Drogenbesitz mit der Todesstrafe und Drogeneinnahme (Selbstgebrauch) mit Freiheitsstrafen nicht unter fünf Jahren und Prügel bedroht, sowie Homosexualität als widernatürliche Sexualpraktik ebenfalls strafrechtlich (inkl. Prügel) sanktioniert ist. Hinzu kommt, dass der Fragebogen nicht anonymisiert ist, im Gegenteil man zum Blutspenden auch seine Identität (mittels Pass, FIN, NRIC) nachweisen muss und diese mit dem Fragebogen gekoppelt ist.
Nach dem Blutspenden hat der Staat hier also nicht nur dein Blut, sondern auch einen recht guten Einblick über den persönlichen Drogengebrauch, bevorzugte Sexualpartner und -praktiken bzw. die Nutzung der gewerblichen Sexanbieter. Wieso der Staat Kenntnis darüber hat, die Blutspende erhält doch das Rote Kreuz?
Sorry ich vergaß darauf hinzuweisen, dass der Fragebogen nicht vom RK sondern vom Gesundheitsministerium ist und nach dem Abgeben auch wieder dorthin wandert. Ein Schelm, der Übles denkt. Nur um dem garantiert nun vom geneigten Publikum eingestreuten Hinweis auf das Recht bzw. die Möglichkeit der Falschbeantwortung entgegenzuwirken. Auf dem Fragebogen findet man zu Frage 15 folgenden Hinweis:"All donors are required to answer every question truthfully. Any answer, which is false or misleading, would render them liable to prosecution for supplying false information under the Infectious Diseases Act."
Die Folge ist - man ahnt es - ein Strafverfahren, das für Expats idR die Kündigung der Zusammenarbeit mit dem Staat zur Folge hat

Hier der Link zum Fragebogen - ich möchte ihn unserer Gemeinde nicht vorenthalten:
• http://www.hsa.gov.sg/internet/dcContro ... e_question
Wer nun über Ablauf der Donation informiert sein möchte, dem sei diese Page wärmstens ans Herz gelegt:
• http://clubs.ntu.edu.sg/redcross/vb07/process.html
Mich wundert nicht, dass in Singapore Blutspender gesucht werden, mich wundert vielmehr, dass sie gefunden werden. Vielleicht ist das ja auch nur eine Folge meiner verweichlichten europäischen Sozialisation und der mit meiner Juristenausbildung verbundenen überzogenen Rechtsstaatauffassung.
